U N S C H U L D

WERKREIHE ÜBER DIE ILLUSION DES REINEN LICHTS.

Die Werkreihe „UNSCHULD“ besteht aus überwiegend großformatigen Gemälden, die seit 2014 gelegentlich entstanden. Es handelt sich um ein work-in progess, mithin wird diese Reihe fortgeschrieben und beständig, aber unregelmäßig um neue Bilder und Perspektiven ergänzt.

Zentrales Element ist das Licht. Helligkeit als Symbol des Anfangs, der Geburt, des Morgens, der Reinheit, Leichtigkeit und des Unbeschwerten, noch Unbefleckten. Eben die Unschuld. Sie ist schön, ideal, unsterblich. Und sie ist emotional, sie bewegt, ist Verheißung.

Diese Werkreihe arbeitet überwiegend mit einer helleren Farbpalette, die dominiert wird von sehr unterschiedlichen Gelb- und Rottönen. Es sollen positive Bilder sein, die einen Gegenpart bilden zu all den Wirrungen und dem Wahnsinn um uns herum. Die Gemälde der Werkreihe sind (auch) meine Antwort auf die negativen Ereignisse in dieser Welt, entsprechend meinem Credo aus der Bibel (Offenbarung 3:16): Sei heiß, sei kalt, aber nicht nur lauwarm. Wir müssen Widerstand leisten gegen die Schwermut, bevor sie uns ertränkt, Aufbegehren gegen all die inneren und äußeren Trümmerwüsten, quasi als Krieger des Lichts (ganz im Sinne von Paulo Coelho, der diesen Begriff prägte) unser Schicksal positiv und intensiv gestalten. Wir beziehen Position, verteidigen die guten Standpunkte. Wir machen Fehler. Aber wir kämpfen.

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Jetzt kommt das Aber, denn leider endet die Geschichte nicht mit dem Licht alleine. Der grandiose Heminway formulierte das Dilemma sehr zu treffend:

»ALLE WAHRHAFT SCHLIMMEN DINGE BEGINNEN MIT DER UNSCHULD

Ernest Hemingway

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Nichts ist einfach nur gut. Am Anfang vielleicht, im Moment der Entstehung, aber die Zeit korrumpiert, relativiert, beschmutzt. Es gibt diesen Dualismus in unseren Köpfen. Der Mensch ist des Menschen Wolf – Homo homini lupus –, im Sinne von Thomas Hobbes. Und keine Betrachtung besitzt nur eine Seite. So gibt es auch beim Thema Unschuld eine menschliche Tendenz zur Ideologisierung. Die Suche nach Helligkeit, nach Licht, mehr noch nach Wahrheit wird übersteigert und zum Fanatismus. Die Geschichte der Menschheit hält viele Beispiele parat, wo mit besten Absichten und unter der Fahne von Aufklärung und Licht (auch) Schlechtes installiert wurde. Klassisch (denn die Moderne ist nur Wiederholung), aber keineswegs singulär hier: Die Zeit der Französischen Revolution mit ihrer Absicht, Gutem zum Sieg zu verhelfen, und ihrem Weg zum Politprozess und zur Guillotine. Robespierre, Danton, aber auch Rousseau bis hin zu Napoleon. Oder erinnern wir uns ebenso beispielhaft an das Ende der Römischen Republik mit den Protagonisten Cicero, Pompeius, Crassus und dem unaufhaltsamen Aufstieg von Julius Caesar. Das alles scheint lange her und ist doch so sehr nah.

Es gibt scheinbar kein Licht ohne Schatten, keine einzige Wahrheit ohne Meinungsdiktat. Ich werte nicht. Wie viel Schlechtes ist eventuell (noch) tolerabel, um dem Guten zum Sieg zu verhelfen? Mittel und Zweck, ein uraltes Dilemma. Ist eine macchiavellistische Betrachtung legitim? Ich bin lediglich Chronist, ich führe nur ein expressiv-abstraktes Protokoll über unsere Menschwerdung und Bewusstseinsbildung. Und dann gibt es die vielen Ereignisse, die einfach passieren, und auf die wir gar keinen Einfluss haben. Das Positive und Reine verliert also allzu schnell seine Unschuld. Diese nachdenkliche Unterströmung findet sich in den Gemälden der Werkreihe nur als Gedankenansatz (zumeist artikuliert durch Titel und begleitende Lyrik) und steht nicht im Mittelpunkt. Sie tut der positiven Gesamtstimmung der Bilderreihe keinen Abbruch. Aber für mich ist auch die Kehrseite der Medaille präsent, diese latente Gefahr der Übertreibung und Überzeichnung. Dies dokumentiert sich in meiner kontraststarken, intensiven Farbpalette.

Das unbefleckt Reine, das absolut Gute bleibt Sehnsucht, Zielvorstellung, und zugleich Illusion. Eine Gratwanderung. Wir müssen diese Erkenntnis aushalten.

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U N S C H U L D

Geburt – Leben
Meer – Ebbe und Flut
Licht – Schatten
Glauben – Vernunft
Wunder – Worte
Freisein – Moral
Schönheit – Alter
Aufklärung – Desinteresse
Ewigkeit – Tod
Aufgang – Untergang
Sonne – Wolken
Reinheit – Alltag
Götter – Gott, deiner, meiner, keiner
Wahrheit, die eine – Wahrheiten, deine, meine, keine

U N S C H U L D – M E N S C H S E I N

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